13.04.2021

Melasse im Tank? - Hefehersteller von Rohstoffknappheit bedroht

(Bonn, 13.04.2021) Eine Entscheidung der Europäischen Kommission könnte die Versorgung der europäischen und deutschen Hefebranche dramatisch gefährden: die mögliche Aufnahme von Melasse, einem Schlüsselrohstoff der Hefeproduktion, in den Anhang IX der Erneuerbare-Energien-Richtlinie.

Anhang IX der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2018/2001 vom 11. Dezember 2018, „Red II“) enthält die Rohstoffe, die für die Herstellung von Bioethanol der zweiten Generation* (advanced biofuel) in Frage kommen. Der Anhang wird derzeit von der Europäischen Kommission überprüft; dabei wird Melasse in der Vorab-Liste der zusätzlichen Rohstoffe berücksichtigt.
Für den Fall, dass Melasse tatsächlich in die Liste aufgenommen wird, rechnen die Hefehersteller mit erheblichen Lieferengpässen, denn es ist zu erwarten, dass die Nachfrage der Biokraftstoffhersteller nach Melasse deutlich steigen wird.
Dr. Markus Weck, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Hefeindustrie e.V. betont: „Der Weg zu alternativen Rohstoffen im Bereich Biokraftstoff ist sicherlich wichtig, dennoch muss genau geprüft werden, wie die wirtschaftlichen Folgen für das Marktgeschehen und seine Teilnehmer sind. Aus unserer Sicht gehört Melasse als wertvoller Rohstoff für die Hefeherstellung nicht in den Tank!“

Entscheidung mit Folgen
Melasse ist ein Nebenprodukt der Zuckerproduktion, das in Europa aus Zuckerrüben gewonnen wird. Für die Hefeherstellung ist Melasse ein entscheidender Rohstoff, da sie den Hefeorganismen als Nahrung dient.
Derzeit forciert die Kommission die Nutzung fortschrittlicher Biokraftstoffe, auch weil der Anteil konventioneller Biokraftstoffe beschränkt („gedeckelt“) wurde. Ziel dabei war es, einen Wettbewerb um Rohstoffe zwischen Lebensmittel- und Kraftstoffherstellern zu vermeiden. Genau diesem Ziel würde aber die nun geplante Aufnahme von Melasse in den Anhang IX entgegenstehen.
Die weitreichenden Folgen wären international spürbar:
• Die Nachfrage der Biokraftstoffhersteller nach Melasse in Europa würde sich deutlich erhöhen.
• Die Abhängigkeit Europas von Melasseimporten würde sich erhöhen; Europa ist bereits
Nettoimporteur für mehr als ein Drittel seines Bedarfs.
• Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Hefehersteller wäre bedroht.
Deshalb darf aus Sicht der Hefehersteller der Verwendung von Melasse als Biokraftstoff keine
Priorität eingeräumt werden.

Neben dem Deutschen Verband der Hefeindustrie setzt sich auch die internationale Initiative „Molasses for Food Alliance” für den Einsatz von Melasse in Lebensmitteln ein. Mehr Informationen finden Sie hier: https://www.molassesforfood.eu/

*Bioethanol der zweiten Generation: Die Biokraftstoffe der ersten Generation werden aus Pflanzenteilen hergestellt, die man auch für die Ernährung nutzen könnte. Ausgangsstoff für die Synthese von Biosprit ist zum Beispiel Stärke aus Mais. Biodiesel wird hingegen aus fetthaltigen Samen wie zum Beispiel Rapssamen gewonnen. Neuer sind die Technologien zur Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation wie BTL-Kraftstoffe oder Bioethanol bzw. Biobutanol aus lignozellulosehaltigen Rohstoffen. Der Begriff zweite Generation bedeutet dabei, dass im Gegensatz zu Biokraftstoffen der ersten Rest- oder Abfallrohstoffe verwendet werden, die nicht auch primär zur Herstellung von Nahrungsmitteln verwendet werden. Bisher handelt es sich in erster Linie um zellulose- und lignozellulosehaltige Restrohstoffe wie Grünabfälle, Stroh oder Holz. Gemäß der Planung der Europäischen Kommission soll zukünftig auch die Melasse dazu zählen.

Kontakt:
Dr. Markus Weck
Hauptgeschäftsführer
Tel. 0228/21 20 17
m.weck@verbaendebuero.de




Pressemitteilung zum Download:
PM_Hefeindustrie_Melasse-im-Tank_13042021